Wir schaffen das! - Klingsieks Bilder- und Gedanken-Welt

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Wir schaffen das!

Dies noch ...
Die Neujahrsansprache der Bundeskanzlerin 2016
... und was ich verstanden habe

"Wir schaffen das!"

Liebe Mitbürgerinnen und Mitbürger. Hinter uns liegt ein ereignisreiches Jahr. Wer hätte vor 365 Tagen gedacht, dass wir eine Bevölkerungszunahme von über einer Million Menschen haben, wo doch in den letzten Jahren die Zahl unserer Bevölkerung stetig rückläufig war? Man sieht, es gibt immer wieder Wunder, so wie einst die Geburt von Jesu Christi. Das freut uns als christlich-demokratische Partei natürlich ungemein.

Und doch, es gibt in jedem Land ein paar Besserwisser, die vorausgesagt haben, dass Millionen Menschen aufgrund ihrer unzumutbaren Lebensbedingungen ihre Heimat verlassen und sich auf den Weg machen werden. Für uns als Regierung war das nicht vorhersehbar. Auch das Unwort des Jahres – "Fluchtursachen" – verstehen wir erst jetzt. Wir und unsere demokratischen Verbündeten, die USA und die anderen EU-Länder, haben uns stets bemüht, den Menschen in ihren Heimatländern zu helfen und ihnen dort ein menschenwürdiges Leben zu ermöglichen. Wir haben diesen Ländern Waffen für ihre Sicherheit geliefert und sie mit billigen, von uns subventionierten Nahrungsmitteln versorgt, damit die Menschen nicht hungern müssen. Wir haben ihnen bei der Erschließung ihrer Rohstoffvorräte geholfen und ihnen Rohstoffe zu äußerst günstigen Preisen abgekauft. Diese humanitäre Hilfe wird uns nun von Kritikern vorgehalten, die behaupten, die Waffen hätten den Krieg erst so richtig angefeuert, die subventionierten EU-Lebensmittel hätten den Menschen in den belieferten, wenig entwickelten Staaten ihre Wirtschafts- und Lebensgrundlage entzogen, ihre Umwelt zerstört und durch die Erschließung ihrer Ressourcen und den damit verbundenen Kollateralschäden würden demnächst auch noch Umweltflüchtlinge zu uns kommen.

Ich als Kanzlerin kann dazu nur sagen, dass die Flucht dieser Menschen eine einmalige Gelegenheit ist, unsere christlichen Werte herauszustellen. Zuvor ist uns das nicht so wirklich gelungen, weil es viele Dinge in unserem Land und der EU gibt, die weniger christlich sind. Daran müssen wir noch arbeiten: gerechter Lohn statt Mindestlohn, gleicher Lohn für Männer und Frauen, gleicher Lohn in Ost- und Westdeutschland, Steuergerechtigkeit, gleiche Rechte für Arme und Reiche, oder lassen sie es mich deutlicher sagen, gleiches Recht für Bürger, Banken und Konzerne, vor allem für letztere! Unsere Aufgabe als Politiker ist es, uns für die Interessen der Bürger einzusetzen, vor allem für die am unteren Ende unserer Gesellschaft. Dieses Ende ist in den letzten Jahren – unter meiner Regierung – immer stärker geworden.

Den Kritikern unserer Wirtschaftspolitik möchte ich sagen: Unsere Wirtschaft sichert Arbeitsplätze und damit den Wohlstand am oberen, schwächeren Ende unserer Gesellschaft. Und so haben wir wieder einen gerechten Ausgleich. Dies ist ein Musterbeispiel eines sozial gerechten Staates in der heutigen Zeit. Das sage ich auch meinen Kritikern ganz deutlich. Sollten Sie, liebe Mitbürgerinnen und Mitbürger, zum Mittelstand in unserer Gesellschaft gehören, seien Sie sicher, unter meiner Regierung werden sie auch in Zukunft das stärkere Ende der Gesellschaft weiter stärken. Mein Mitarbeiter Volker Kauder hat es auf den Punkt gebracht als er sagte: "Wir müssen jetzt vor allem für die Wirtschaft da sein!"

Durch die so genannte Flüchtlingskrise ist ein wichtiges Thema des Jahres völlig in den Hintergrund getreten: die Griechenland-Hilfe. Nicht zuletzt durch Deutschland unter der Führung meines Mitarbeiters, Finanzminister Dr. Wolfgang Schäuble, der ja zuvor schon als Innenminister für neue Sicherheitsstandards in unserem Land gesorgt hat – Stichwort Stasi 2.0" –  konnten wir die Banken in Griechenland erneut retten. Dass das vorübergehend ungünstige Auswirkungen auf die griechische Bevölkerung hat, liegt in der Natur der Sache, ist aber – das kann ich Ihnen versprechen – nur eine vorübergehende Erscheinung. Aufgrund der gesunden Ernährungssituation im Mittelmeerraum –  Stichwort "mediterrane Küche" – ist es auch zu vertreten, dass Leistungen bei der Gesundheitsvorsorge und Krankenversicherung in diesem Raum gekürzt oder gestrichen wurden. Und im Rahmen einer gesamteuropäischen Lösung werden wir selbstverständlich auch die Situation der Krankenversicherung in den anderen Ländern anpassen.

Gesundheit und gesunde Ernährung sind uns ohnehin ein besonderes Anliegen. Es ist allerdings dringend geboten, Nahrungsmittel, die seit Jahrtausenden von den Menschen verzehrt wurden an die Gegebenheiten des 21. Jahrhunderts anzupassen. Dabei helfen uns Unternehmen wie Monsanto aus den befreundeten USA aber auch heimische Chemiekonzerne mit globaler Verknüpfung. Es ist doch nur folgerichtig – und meine Regierung treibt diese Veränderungen konsequent voran – dass wir gentechnisch verbesserte Produkte in den Handel bringen. Das gilt genauso für Medikamente, die endlich die unzeitgemäße mittelalterliche Kräutermedizin ablösen. Wir dürfen uns von einer ökologisch verblendeten Minderheit nicht einreden lassen, dass solche Medikamente besser sein sollen als unsere modernen Pharmaka. Den heutigen schlechten Gesundheitszustand vieler unserer Mitmenschen verdanken wir nämlich zu einem großen Teil auch der jahrtausendelangen Fehlernährung und Fehlmedikation. Hätte schon unsere Vorgängerregierung vor einigen Jahrzehnten dies erkannt, brauchten wir uns heute nicht mit diesem Thema zu befassen, denn es gibt schließlich wichtigere Themen. Also gehen wir mit Glyphosat, Genmais und Medikamenten, deren Wirkungen und Nebenwirkungen allerdings noch nicht abschließend untersucht wurden, in eine moderne Zukunft.
   
Zu den angesprochenen wichtigeren Themen gehört auch der Umweltschutz. Wir haben es in Deutschland geschafft, die Energiewende auf den Weg zu bringen. Darauf sind wir stolz. Denn Energiewende heißt auch Umweltschutz. Und das ist ja der Bereich, der mir besonders am Herzen liegt. Schon als Umweltministerin habe ich mich seinerzeit für den Schutz der Umwelt stark gemacht. Durch die eingeleitete Energiewende benötigen wir natürlich auch weniger Erdöl und Erdgas. Und genau aus diesem Grund wenden wir uns in der Koalition gegen Fracking. Dieses Verfahren ist nicht nur überflüssig sondern auch höchst gefährlich und schädlich. Allerdings ist es wichtig, technologisch mit anderen Nationen auf Augenhöhe zu bleiben. Und darum erlauben wir Fracking, zunächst versuchsweise. Aber, liebe Mitbürgerinnen und Mitbürger, Sie wissen, was wir machen, machen wir gründlich und natürlich halten wir uns – ausschließlich in ihrem Interesse – alle Optionen offen.

Auch zum VW-Skandal möchte ich einige Worte sagen. Dass ausgerechnet unsere Freunde in den USA den Betrug aufgedeckt haben, spricht für deren Umweltbewusstsein. Wir haben in Deutschland auf unabhängige Kontrollen verzichtet, um nicht die Absatzchancen unseres wichtigsten Automobilkonzerns auf dem Weltmarkt zu gefährden. Bedenken Sie, welche verheerenden Folgen der Wegfall von Arbeitsplätzen für unsere Wirtschaft und unser weltweit einzigartiges Sozialsystem bedeutet hätte. Man muss die Aufdeckung des Skandals durch unsere amerikanischen Freunde aber auch im Zusammenhang mit TTIP sehen. Dabei geht es ja um die Angleichung von Standards und um die Stärkung der Wirtschaft, vor allem der leidenden amerikanischen. Ein schwacher VW-Konzern stärkt die Automobilindustrie der USA. Und darum geht es doch: Wachstum, neue Absatzmärkte und vielleicht auch neue Arbeitsplätze. Wobei dies noch nicht sicher ist, denn beim angestrebten Freihandelsabkommen stehen Einsparungen und Gewinnmaximierung im Vordergrund.

Die Bedingungen für die Freihandelsabkommen TTIP, CETA und TISA legen die USA und multinationale Konzerne fest und die verstehen die Wirtschaft – wie wir alle wissen – ja am besten. Wir haben ja schon nach dem Zweiten Weltkrieg von den USA so viel gelernt und dankbar übernommen. Bei dem uns entgegengebrachten Vertrauen verbot sich eine kritische Überprüfung und damit auch die Bewahrung unserer eigenen Werte selbstverständlich. Nicht nachvollziehen kann ich auch die Kritik von Willy Brandt, der einmal sagte: "Den Interessen unseres Volkes wird nicht gerecht, wer schon 'Amen' sagt, wenn in Washington noch gebetet wird!"

Unverständlich, ja sogar unverschämt finde ich die Bedenken einer Minderheit in unserer Bevölkerung, die das undemokratische Verfahren bei den genannten Freihandelsabkommen brandmarkt. Diesen kritischen Bürgerinnen und Bürgern möchte ich sagen, dass in einer Demokratie die Mehrheit und nicht die Minderheit das Sagen hat. Und natürlich müssen wir uns bei diesen schwierigen Fragen auf die Aussagen der Wirtschaft und der USA verlassen. Klar, dass bei so existenziellen und schwer zu überschauenden Problemen Tausende von Lobbyisten mit ihren Fachkenntnissen mitwirken. Schon dadurch ist die Mehrheit gesichert und die Entscheidungen werden selbstverständlich im Sinne der Bürgerinnen und Bürger ausfallen.

Natürlich gibt es neben diesen für die Menschen in unserem Land guten Entwicklungen auch ein Thema das ich noch kurz erwähnen möchte: die zahlreichen Spionageaffären, wozu auch das Abhören meines Handys gehört. Da es sich bei diesem Vorfall und allen ähnlichen um vertrauensvolle und freundschaftliche Prozesse mit unserem amerikanischen Partner handelt, möchte ich dazu weiter keine Stellung nehmen. Das verbietet sich auch, weil wir in der Bundesrepublik Deutschland ohne Zustimmung der USA, wie es mein Kollege, Innenminister De Maiziere, schon vor der Presse und den Untersuchungsausschüssen betont hat, über diese Vorgänge nicht berichten dürfen.

Um aber die Terrorgefahr in unserem Land deutlich einzuschränken, haben wir zusammen mit unserem Koalitionspartner SPD der Vorratsdatenspeicherung zugestimmt. Damit wird sichergestellt, dass Ihre Telefonanrufe und E-Mails und die Ihrer Nachbarn und Freunde aufgezeichnet und gespeichert werden und dadurch mit fast hundertprozentiger Sicherheit terroristische Anschläge verhindert oder jedenfalls nachverfolgt werden können. Um den Erfolg dieser Mission zu gewährleisten, werden wir Tausende neue Mitarbeiter zur Bearbeitung dieser Daten einstellen. Da diese – was Sie hoffentlich verstehen – aus öffentlichen Mitteln bezahlt werden müssen, haben wir gleichzeitig die Verpflichtung, an anderer Stelle zu sparen. Wir werden darum Ausnahmen beim Mindestlohn zulassen, die Zahl der Stellen in der Kinder- und Altenbetreuung reduzieren und die ohnehin angemessenen Löhne dieser Personengruppen reduzieren. Da es sich bei dieser Maßnahme voraussichtlich um eine zeitlich begrenzte Aktion handelt, ist es nicht erforderlich, dass sich neue Protestbewegungen bilden. Das würde die Betreuung der Kinder und alten Menschen nur weiter verschlechtern – und das ist nicht zumutbar!
               
Viele besorgte Mitbürgerinnen und Mitbürger fragen im Kanzleramt an, was wir gegen den sogenannten IS unternehmen werden, der ja nach Frankreich nun auch uns bedroht? Eine Maßnahme habe ich ja schon erwähnt: die Vorratsdatenspeicherung. Außerdem sorgen wir dafür, dass in den Medien permanent über die Aktionen dieser Gruppe berichtet wird. Das schürt die Angst im Volk und die Vorsicht der Menschen. Zugleich ermöglicht es uns, dass wir zukünftig leichter Maßnahmen durchsetzen können, für die wir bisher langwierige parlamentarische Diskussionen brauchten. Manchmal ist schnelles Handeln einfach wichtig. Sich Zeit zu nehmen, um gründlich nachzudenken und nach Alternativen zu suchen, kann unser Land bedrohen. Nach dem Vorbild unseres europäischen Partners Frankreichs können wir uns darum auch vorstellen, dass wir die Bürgerrechte weiter einschränken.

Kritiker werfen uns vor,  dass wir durch Hysterie und solche – wie sie sagen – falschen Maßnahmen, den IS stärken und jede übertriebene Kontrolle und die Einschränkung unserer demokratischen Freiheiten ein Erfolg für den IS ist, der ja genau dies erreichen will. Als Bundeskanzlerin bin ich zusammen mit den gewählten Abgeordneten von CDU/CSU und SPD für Ihre Sicherheit verantwortlich und da können wir keine Rücksicht darauf nehmen, welche möglicherweise falschen Schlussfolgerungen der IS aus unseren Maßnahmen zieht.

Unsere Freunde, Verbündeten und Partner, die USA, haben unter ihrem Präsidenten George W. Bush, den irakischen Machthaber Saddam Hussein hingerichtet. Damit wurde das Land von einem Despoten befreit und danach konnten sich dort endlich neue Machtverhältnisse entwickeln. Leider hat es mit der Demokratie nach amerikanischem Vorbild nicht geklappt.

Viele Menschen machen es sich zu leicht, wenn sie behaupten, dass diese amerikanische Politik der Anschuldigung und auf falschen Tatsachen beruhenden Vernichtung Husseins falsch war. Dieser Diktator musste weg, auch wenn die USA hier eigenmächtig und ohne internationalen Auftrag gehandelt haben. Manche Entscheidungen sind eben alternativlos. Leider, und das bedaure ich ausdrücklich, ist die Entwicklung unter den neuen Politikern im Irak so verlaufen, dass viele, besonders junge Menschen, in der Zeit danach keine Lebensperspektive mehr hatten, keine Chancen auf eine gute Ausbildung und ein menschenwürdiges Leben. Dies erst ermöglichte den Terrorismus, wie wir ihn heute erleben, nicht der Eingriff der USA.

Dass das Leben in manchen Ländern nicht so funktioniert wie bei uns, liegt an der dort herrschenden labilen politischen Situation jenseits von Demokratie. Darum ist es unser Aufgabe, die Werte der Demokratie zu schützen und zu stärken, unsere Politik an den Interessen der Bürgerinnen und Bürger auszurichten, den Auftrag, den Sie uns gegeben haben, zu erfüllen und alles zu unterlassen, was dem Volk, der Umwelt und der Gesundheit schadet. Und genau dies werden wir auch im vor uns liegenden Jahr versuchen. Aber ohne Ihre Hilfe und Einschnitte im Sozialen und bei der Freiheit zugunsten der Sicherheit geht es nicht. Und wir werden weiterhin alles tun, unsere Wirtschaft zu fördern – in unser aller Interesse!

Und so bin ich als Ihre Bundeskanzlerin zuversichtlich und rufe Ihnen zu: "Wir schaffen das! - Wir wissen nur noch nicht wie und wann!"

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